Johannes Scherr

wurde im Oktober 1817 in Schwäbisch Gmünd geboren. Der Vater, ein Dorfschullehrer, möchte, dass er katholischer Priester wird.

Nach der ungeliebten theologischen Ausbildung studiert er in Tübingen Philologie und promoviert dort mit dem Thema "Über das Lied der Nibelungen". Scherr wird als jüngster Abgeordneter in das württembergische Parlament gewählt. Nach dem republikanischen Auf­stand in Baden wird er in Abwesenheit zu 15 Jahren Kerker verurteilt. Er entkommt aber in die Schweiz und wird in Zürich Professor für Geschichte. Johannes Scherr starb am 21. 11. 1886. Er ist auf dem Züricher Zentralfriedhof beerdigt.

Kämpfer für Gerechtigkeit

Wahrheitseifer und Gerechtigkeitssinn müssen Grundbedingung für den Historiker sein. Und auch ein Stück Künstler soll und muß der Historiker sein, er braucht schöpferische und dichterische Kraft.

Mit diesen Zitaten aus einer Züricher Vorlesung beschreibt Scherr sich selbst und reflektiert damit seine Lebensleistung. Aus dem kleinen Rechberg-Hinterweiler stammend, tritt er in einer politisch schwierigen Zeit entschieden ein für Wahrheit und Gerechtigkeit.  Seine politische Karriere beginnt mit dem Buch Württemberg im Jahr 1844, für ihn das Sprungbrett in das württembergische Landesparlament. Er ist leidenschaftlicher Patriot und radikaler Gegner der Monarchie.

Nach dem republikanischen Aufstand wird der Zweiunddreißigjährige mit folgendem Steckbrief gesucht: Derselbe ist 5 Fuß, acht Zoll groß (also 1,70 m), von schlanker Statur, hat eine längliche Gesichtsform, blaßgelbe Gesichtsfarbe, dunkelbraune  gescheitelte und hinter die Ohren gestrichene Haare, dunkelbraune Augenbrauen, graue Augen, lange Nase, breiten Mund und starke Backenknochen, gute Zähne, gerade Beine und trägt einen schwachen Lippenbart …

Vom Exil in der Schweiz formuliert er seine Deutsche Kultur- und Sittengeschichte, ein Standardwerk bis in unsere heutige Zeit, das viele Auflagen erlebt hat. 1853 veröffentlicht er seine Geschichte der deutschen Literatur; 1856 die Geschichte der Religionen, 1859 eine dreibändige Schiller-Biographie, 1860 die Geschichte der Frauen und 1871 folgt eines seiner Hauptwerke Blücher, seine Zeit und sein Leben: ein Querschnitt durch die europäische Geschichte von 1740 bis 1820. Scherr schreibt und schreibt, die Quintessenz seiner Forschungen wird in der Essay-Sammlung Menschliche Tragikomödie 1874 veröffentlicht. Die darin enthaltenen Abhandlungen und Aufsätze setzen sich mit Persönlichkeiten und Ereignissen der Geschichte auseinander, vom Altertum bis in seine Zeit. Den Titel wählte Scherr aus mit dieser Begründung: Die Menschheit ist nicht klüger geworden, die Fehler und Torheiten wiederholen sich durch die Jahrtausende, das Großartige und das Närrische wohnen dicht beieinander, Aufstieg und Absturz sind Geschwister; die Geschichte könnte der Lehrmeister sein - aber wer hört, beherzigt ihre Warnungen?

Scherr war einer der letzten Universalgelehrten, seine demokratische Aufbruchsstimmung, sein Mut und seine Angriffe gegen Standesdünkel jeglicher Art sind auch heute noch zutreffend - z. B.: Die öffentliche Meinung ist nichts anderes als der aus dem hohlen Bauche der Unwissenheit oder der vollen Blase der Bosheit hervorgurgelnde Klatsch.

WERKE

  • Blücher, seine Zeit und sein Leben
  • Deutsche Kultur- und Sittengeschichte
  • Geschichte der deutschen Literatur
  • Geschichte der Frauen
  • Geschichte der Religionen
  • Germania
  • Menschliche Tragikomödie
  • Schiller-Biographie